Score-Wert: 35 (zentraler Kernwortschatz)
Geschichte
Akteure wie Patientinnen und Patienten, Angehörige, Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte und weitere Teammitglieder besitzen in der Palliativversorgung einen zentralen Stellenwert. Diese Akteure
nehmen in palliativen Behandlungszusammenhängen an verschiedensten sozialen Interaktionen teil. Dabei zählen Emotionen seit den Anfängen der Palliativversorgung zu den wichtigsten Aspekten einer
umfassenden und ganzheitlichen Betrachtung der Patientin/des Patienten.
Bedeutungsspektrum in der Palliativversorgung
Die Palliativsituation bringt per se eine gewisse grundständige emotionale Aufladung mit sich. Bei der Analyse der Texte der Palliativversorgung offenbart sich ein umfassendes Interesse an den
Emotionen und Wahrnehmungsmustern der Patientinnen, Patienten und Angehörigen. Dabei existieren große Überschneidungsbereiche mit den Bereichen Kognition (Wahrnehmung und Verarbeitung),
Kommunikation und Information. Die verbindende Klammer zwischen Kognition und Emotion wird durch das Wort fühlen deutlich – es kann sowohl in Kontexten des sinnlichen (Schmerz fühlen)
als auch des emotionalen Wahrnehmens auftreten (Angst-, Trauer-, Schamgefühl usw.). Kognition, Spiritualität und Emotionen sind intime Bereiche der Innerlichkeit von Individuen nicht nur in einer
Palliativsituation. In Fachtexten seit etwa 2010 besteht eine zunehmende Tendenz, die emotionale Befindlichkeit von Patientinnen, Patienten und Angehörigen unter Einbezug
kognitionspsychologischer Vorstellungen zu beschreiben und zu evaluieren. In der Hospiz- und Palliativversorgung tätige Personen sollen Gedanken und Gefühle von Patientinnen, Patienten und
Angehörigen verstehen und richtig einschätzen lernen. Emotionen sind Teil der psychischen Lebensqualität der Patientin/des Patienten und neben vielen auch individuellen Faktoren Ausdruck der
jeweiligen momentanen Situation. Besonders häufig werden sie im Zusammenhang mit der unmittelbaren Sterbephase thematisiert. Im Trauerfall gewinnen Emotionalität und Emotionsregulation bei
Angehörigen zusätzlich eine besondere ethische Dimension. Der Umgang mit Emotionalität ist ein wichtiges Merkmal guter Kommunikation seitens der Teammitglieder. Die Qualität einer
Kommunikationshandlung hängt in der Palliativversorgung auch maßgeblich von emotionsbezogenen Werthaltungen wie Offenheit und Empathie ab.
Einige Emotionen wie Angst und Trauer werden in Fachtexten jüngeren Datums zunehmend pathologisiert, also als krankhaft eingestuft. Das Wort Angst wird neben einer allgemeinen Bedeutung
als menschliche Emotion häufig auch als Symptom bezeichnet, zudem weisen Wortbildungen auf pathologische Ausprägungen der Angst hin (z.B. Angststörung). Für sehr stark ausgeprägte Formen
von Trauer existiert eine Vielzahl von Wörtern, die sich semantisch zum Teil völlig decken (erschwerte, pathologische, komplizierte Trauer usw.). Bestimmte
Formen der Trauer von Angehörigen werden unter der Bezeichnung Anhaltende Trauerstörung als Krankheitsbild der ICD-11 erfasst.
Emotionen werden fast ausschließlich in Bezug auf Patientinnen, Patienten und Angehörige berücksichtigt. In Zusammenhang mit Teammitgliedern spielen Emotionen eine untergeordnete Rolle. Zentral
ist ein wertschätzender und empathischer Umgang mit den Emotionen von Patientinnen, Patienten und Angehörigen.
Kollokationen: Affekt, nonverbal, Motivation, empathisch, Labilität, Umbruchsituation, Rollenfunktion, motivational, Ausdrucksfähigkeit, Beziehung, Ausnahmesituation, kognitiv, Erschöpfung, Stabilität, Schwankung, Wertschätzung, Belastung, Starre.
Feststehender Begriff: Ja. Die beiden Bedeutungen des Wortes Emotion als Gefühl und Symptom sind gut voneinander unterscheidbar. Im Vordergrund steht in der Palliativversorgung immer die Emotion als natürliche menschliche Reaktion auf bestimmte Vorkommnisse.
aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch