• Sinn

Score-Wert:        28 (zentraler Kernwortschatz)

 

Geschichte
Der Begriff ist nicht zeitgebunden und tritt über alle untersuchten Zeiträume hinweg mit ebenmäßiger Verteilung über die Zeit auf. Da er in seiner Semantik grundsätzlich kaum kontextgebunden ist, konnten keine wesentlichen Unterschiede in der Gebrauchsfrequenz festgestellt werden.

 

Bedeutungsspektrum in der Palliativversorgung
In seiner einfachsten Verwendung ist das Wort Sinn als Nutzen oder Zweck in einer alltagssprachlichen Bedeutung zu verstehen („der Sinn und Zweck einer Sache oder Maßnahme“). Dieser alltagssprachlichen Verwendung entsprechen feste Wendungen wie im engsten oder im weitesten Sinn(e). Häufig mit dem Wort Sinn erörterte Zweckmäßigkeiten sind Medikamentengaben und Therapieformen in bestimmten Kontexten, der Sinn bestimmter Kommunikationsakte, der Sinn der Errichtung einer Patientenverfügung, aber auch der Sinn makrostruktureller Maßnahmen auf Ebene des Gesundheitssystems (z.B. der Sinn der Digitalisierung). Sinn und Nutzen werden in unmittelbaren Wortumgebungen immer wieder synonym gebraucht.
Der Sinnbegriff bezieht sich in den Palliativtexten jedoch primär auf spirituelle und philosophische Zusammenhänge und existentielle Fragen. Er rekurriert beispielsweise auf die Suche des Menschen nach dem Sinn des Lebens bzw. dem Sinn der eigenen Existenz angesichts des nahenden Lebensendes. Die Suche nach dem Sinn und Zweck des eigenen Lebens wird in der Palliativversorgung als grundlegendes Interesse jedes Menschen aufgefasst, daher erfährt sie auch eine tendenziell breite Beachtung. Gerade in der Extremsituation des Lebensendes können gefestigte patientenseitige Sinn- und Deutungsmuster ins Wanken geraten. Die Sinnsuche betrifft in der Palliativversorgung vor allem die klassische Theodizee-Frage, also die Frage danach, wie das Leiden in der Welt mit der Annahme zu vereinbaren sei, dass Gott sowohl allmächtig als auch gut sei.
In einigen Kontexten wird die Suche nach dem Lebenssinn mit Emotionen und der Wahrnehmung des eigenen Körpers verbunden, die Frage nach dem Lebenssinn berührt unter diesen Vorzeichen auch den Aspekt der Ganzheitlichkeit in der Palliativversorgung. Die Suche nach dem Sinn ist nicht zuletzt auch die Suche nach Deutungsmöglichkeiten der eigenen Existenz. Sie kann eine wichtige Kraftquelle für die Verarbeitung psychischer Extremsituationen darstellen und zur Bewahrung der eigenen Überzeugungen dienen. Auch Rituale können zur Herstellung von Sinn beitragen.
Sinn und Sinngebung spielen nicht nur für Patientinnen und Patienten, sondern vor allem auch für trauernde Angehörige eine Rolle. Auch die Sinnsuche im Rahmen der Trauer der Angehörigen fällt ohne Zweifel in den Aufgabenbereich der Palliativversorgung. Besonders wichtig ist hier der Bereich der Seelsorge, de facto ist Seelsorge häufig auch weiterhin als religiöse Seelsorge gestaltet. Sowohl bei Patientinnen und Patienten als auch bei Angehörigen existiert eine sehr explizite Verknüpfung des Lebenssinns mit religiösen Vorstellungen im engsten Sinne des Wortes (Gott, Heil, Ritus, Glaube). Neben dem klassischen Topos des Trost-Findens in Gott kann die Sinnfrage auch als die Frage nach der Ungerechtigkeit Gottes verstanden werden.

 

Kollokationen: Trost, Trauern, Zweck, Sinngebung, eng, weit, Digitalisierung, spürbar, biologisch, ganzheitlich, Heil, Suche, Leiden, Leben, Symbol, hinterfragen, traditionell, Philosophie, Bedeutung, Gemeinschaft, ACP, Wert, Existenz, religiös, Identität, Tod, Wahrheit, Kraft, Frage, Kultur, Krankheit

 

Feststehender Begriff: Nein. Der Begriff liegt in einer alltagssprachlichen Bedeutung vor und unterscheidet sich nicht maßgeblich vom allgemein gebräuchlichen Sinnbegriff. Insbesondere ist das Wort Sinn jedoch in einem spirituell-religiösen Sinne zu verstehen. 

aus: Joachim Peters, Maria Heckel, Christoph Ostgathe (2020): Schlüsselbegriffe in der Palliativversorgung. Online-Handbuch. abrufbar unter https://www.uker.de/pm-handbuch